Dr. Friedrich Nüssel – ein 70er!

„Züchten heißt in Generationen denken“ – der Leitsatz von Dr. Friedrich Nüssels Trakehnerzucht. Seit 1985 hat er sich mit Haut und Haar und voller Überzeugung der Zucht von Trakehner Pferden verschrieben und seither viele Generationen erfolgreicher Trakehner gezüchtet.

Nüssels im fränkische Goldkronach gelegener „Trakehnerhof Untere Mühle“ ist seit über 300 Jahren in Familienbesitz und seit fast 40 Jahren widmet man sich dort nur noch der Pferdezucht. Diese Kontinuität über Jahrzehnte hinweg hat bislang weit mehr als 50 in den FN-Erfolgsdaten verzeichnete Trakehner Pferde hervorgebracht mit über 13.000 EUR Preisgeldern für ihre glücklichen Besitzer. Der Verband würdigte diese züchterische Leistung 2021 mit der Verleihung der Freiherr-von-Schrötter-Medaille.

Dabei war und ist diese Pferdezucht lediglich „Freizeitbeschäftigung“, denn Dr. Nüssel ist von Beruf Facharzt für Neurologie und betrieb bis vor kurzem eine Praxis für Radiologische Diagnostik in Bayreuth. Erst der „zweite Bildungsweg“ führte ihn zum Arztberuf. Aufgewachsen im elterlichen Betrieb, schloss er eine Lehre als Müller ab. Danach kam die Überlegung, das Abitur nachzuholen, und schließlich das Studium der Medizin in Berlin. Kein alltäglicher Weg und man erkennt schon die Zielstrebigkeit des Mannes, der trotz reizvoller Berufsaussichten an der Uni Bern im Jahr 1984 wieder auf den elterlichen Hof nach Goldkronach zurückkehrte. Jetzt konnte er einen lange schlummernden Traum verwirklichen, den er seit der Begegnung mit den Trakehner Pferden – Schimmel, teils arabisiert und mit viel Adel – von Alfred Hartmann, Gossenreuth hatte. Bei dieser Begegnung hatte er sich seinerzeit in die Pferderasse verliebt und wollte diese auch züchten.

Ein Blick heute in Nüssels Stallungen verrät den Hang zum ausgeprägt edlen Pferd. „Der Trakehner muss als Edelpferd erkennbar sein und dafür muss man englisches und arabisches Vollblut einsetzen.“ In all den Zuchtjahren verfolgte Friedrich Nüssel bei seinen Linien diese Zuchtpolitik im Blutaufbau.

Seine ersten Stammstuten waren die 1977 geborene JENNY v. Gunnar/Tannenfels, die er von Adolf Dörfler, Neudrossenfeld erwerben konnte, und DUNJA *1987 von Marduc/Sultan aus der Zucht von Manfred Paul, Lebrade, die er 1988 kaufen konnte. Mit dem Siegerhengst der Körung 1982, BARTHOLDY v. Mahagoni, hatte er den „Passer“ für diese Stuten gefunden, der sowohl den arabischen als auch den englischen Blutanschluss sicherte. Jennys zweite Bedeckung mit dem späteren Elitehengst Bartholdy brachte JONGLEUR K, der 1994 über die Eliteauktion in Medingen an Dieter Wulf verkauft wurde – ihn fuhr Jürgen Mathies 1997 zur Bronzemedaille bei der Weltmeisterschaft der Zweispänner. Der Verband zeichnete Dr. Nüssel dafür mit der Dr.-Fritz-Schilke-Medaille in Silber aus.

Das erste Fohlen aus der Anpaarung der Dunja an Bartholdy war 1991 der Hengst DONNATUS, später Terrabaltic Dior, der ebenfalls in Medingen verkauft wurde. Er sammelte in Hamburg Dressurerfolge bis in die schwere Klasse.

1990 hielt dann mit dem in Neumünster gekörten CORNUS v. Ravel/Illuster ein „Herr am Hof“ Einzug. Die Hengsthaltergemeinschaft Cornus stellte den Beschäler, der Eigenleistung im Sport über den bunten Stangen bis Kl. M erbrachte, bei Mitbesitzer Dr. Nüssel auf Station. Neben herausragenden Töchtern und patenten Sportpferden aller Disziplinen wusste Cornus sich lange Jahre bezüglich der Exterieurwerte unter den Top Ten der lebenden Trakehner Vererber zu etablieren.

Eine Kombination mit nützlichem Effekt war Friedrich Nüssel in seiner Praxiszeit sehr wichtig: Wenn sich eine Arzthelferin oder ein Azubi für eine Stelle bewarb, sollten sie immer Reitkenntnisse oder zumindest Interesse am Reiten mitbringen. Die jungen Frauen konnten ihre Arbeit/Ausbildung machen und gleichzeitig noch ihre Reitkenntnisse erweitern.

Eine Anekdote am Rande: Die Bindung seiner Frau zu den Trakehnern festigte Friedrich damit, dass er ihr das erstgeborene Fohlen seiner Jenny, die Stute JASMIN v. Bartholdy, schenkte. Kerstin Nüssel war also nicht nur stolze Besitzerin der Reservesiegerin der Klasse der 8-jährigen Stuten der Bundesstutenschau 1997, sondern ist auch Züchterin einer Reihe bis zur Kl. M erfolgreicher Dressur- und Vielseitigkeitspferde aus Jasmins Nachzucht.

Aktuell verbindet die Trakehner Familie den Züchternamen Nüssel mit JANOV, einem jetzt 9-jährigen Sohn des international erfolgreichen Heuberger TSF. Seine Mutter Jokira ist Tochter des von Friedrich Nüssel hochgeschätzten Normativ ox – in Kombination mit dem angloarabischen Mutterstamm der Jacky eine wahre genetische Rarität. Zunächst beim ZSAA gekört, später auch von den Trakehnern anerkannt, machte Janov erstmals 2018 auf sich aufmerksam, als er beim polnischen 100-Tage-Test das zweitbeste Ergebnis erzielte. Mittlerweise ist er unter Annkatrin Anselstetter erfolgreich im Dressurviereck – Siege und Platzierungen bis Kl. M** und gut bewertete Auftritte in Kl. S konnten die beiden bereits erzielen.

Großen Einfluss auf Friedrich Nüssels Zuchtgeschichte nahm Helmut Schödel, der ihn und seine Zucht jahrzehntelang begleitete, ihm wertvolle Tipps gab. Aus dem Erbe seines vor einigen Jahren verstorbenen Mentors übernahm Nüssel drei Töchter aus der Anpaarung des Cornus an die ELBEFEE xx v. Animo xx/Aveiro xx: EXTASE *2007, ELEGANCE *2008 und EMSFEE *2010.

Damit Dr. Friedrich Nüssel die mit der Teilaufgabe seiner Praxis gewonnene Freizeit nicht zu ruhig verbringt, wurde ihm 2021 die Leitung des Trakehner Zuchtbezirks Bayern/Österreich angetragen. Seither vertritt er die Interessen sowohl der weiß-blauen als auch der rot-weiß-roten Trakehnerzüchter in seiner beharrlichen und zielstrebigen Art.

Wir wünschen alles Gute und natürlich noch viele, viele Jahre mit Freude und Spaß an den – und seinen – Trakehner Pferden!

Dr. Nüssel auf der Consumenta. Mit Susanne Böhmer, die einen jetzt 24 jährigen Wallach „Just Smoky“ aus der Jenny  gezogen hat. (Bild: SB)

Inmitten seiner ZB-Kollegen: v. l.; Renate Steiner, Dr. Annette Wyrwoll, Dr. Friedrich Nüssel, Helmut Mayer (Bild: SB)