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Ein wahrlich außergewöhnliches Pferd feiert am heutigen 28. März in guter Frische seinen 30. Geburtstag. Lassen wir ihre Besitzerin berichten:

Warum stand im Jahr 2008 auf der Homepage des Trakehner Zuchtbezirks Bayern die Verkaufsanzeige eines Pferdes aus Wesel? Das frage ich mich heute noch!

Es war die Trakehner Prämienstute Herbstlicht, geb. 28.03.1992 von Matador aus der Herbstliche von Caanitz/Marlon. Ein paar Bilder waren hinterlegt und ein Video, in dem Herbstlicht einen M-Oxer übersprang.

Ich kann mir bis heute nur eines denken: sie „wollte“ einfach vom Niederrhein nach Bayern!

Die Züchter von Herbstlicht, das Gestüt Bönninghardt von Werner Heitfeld, waren bereits zu diesem Zeitpunkt keine Unbekannten in der Trakehner Szene mehr. Hengste wie Caanitz und Rheinglanz, Sportpferde wie Coleurmond, besser bekannt als Chopard, und viele viele andere mehr, kamen im Hause Heitfeld zur Welt.

Zurück zur Anzeige: Die war zwar in Bayern veröffentlicht – deshalb ist das Pferd noch lange nicht besichtigt oder probegeritten. Erst recht nicht von Issum in den Süden Bayerns umgezogen. Doch ich wäre nicht ideenreich, wenn ich da kapituliert hätte. So rief ich einen mir bekannten Friesenzüchter aus Straelen an, ob er für mich diese Stute besichtigen könnte. Nur wenige Tage später kam der Rückruf: „Ja, ich habe sie angesehen … aber – es ist ein Trakehner!!!“

„Mann,“ sagte ich. „Josef, um das geht es doch!“

Und schon war ich am nächsten Morgen um vier Uhr mit Auto und Hänger auf der Autobahn um Herbstlicht in Issum zu holen. Mir begegnete ein sofort sympathisches, zierliches Stütchen mit enorm Go und einer Hinterhandaktivität, bei der man „Sie“ sagt. Herbstlicht sollte verkauft werden, weil die damalige Besitzerin bereits eine – damals schon 2-jährige – Stute von Goldschmidt namens Harriet‘s Gold aus ihr gezogen hatte und keine zwei Pferde unterhalten konnte.

Bis zu diesem Zeitpunkt konnte Herbstlicht 56 Siege und Platzierungen in Dressur- Vielseitigkeits- und Springprüfungen der Klassen A, L und M aufweisen. In den Jahren 2009 und 2010 war sie dann mit mir noch in einigen Prüfungen erfolgreich, trug noch einige SchülerInnen durchs Reitabzeichen, bevor ich mich entschloss, sie decken zu lassen.

Zur damaligen Zeit sprachen alle mir bekannten Züchter nur von einem, nämlich von Gribaldi. So rief ich Zuchtleiter Lars Gehrmann an: „Ich möchte Herbstlicht mit Gribaldi decken.“ Ob ich denn die Springgene der Stute töten wolle, war seine klare Antwort. Das brachte mich ganz schnell zum Umdenken und ich entschloss mich, sie von EH Kasparow besamen zu lassen.

Aber warum einfach, wenn’s kompliziert auch geht! Nach der Untersuchung durch die Assistentin meines damaligen Tierarztes lautete die klare Antwort: die Stute ist nicht tragend! So ging sie weiter mit meiner Schülerin Turnier und noch zum Saisonende im Oktober eine komplette A-Vielseitigkeit mit 0 Fehlern sowohl im Parcours als auch im Gelände! Das nennt man Leistungspferd!

Da dann bis in den nächsten Januar hinein der Sattelgurt in einen längeren getauscht werden musste, rief ich meinen Tierarzt – sollte doch bitte er und nicht seine Assistentin noch einmal untersuchen. Und siehe da: Herbstlicht war tragend! Am 6. Juni 2011 fohlte sie um Mitternacht ein kesses Rappstutfohlen ohne Abzeichen.

Herbstkönigin S, inzwischen Prämienstute des Verbandes und beste 4-Jährige bei der Stutenleistungsprüfung, ist nach wie vor in meinem Besitz und hatte 2020 ein agiles Hengstfohlen von Kros.

Die Anpaarung mit Kasparow wurde wiederholt und 2012 kam ebenfalls ein Stutfohlen namens Herbstmond zur Welt. Sie hatte wohl Spaß an merkfähigen Daten: diesmal war es der 12.06.2012. Am 11.06.2013 folgte dann ihr letztes Fohlen von Dürrenmatt. Das sollte es gewesen sein, denn leider blieben alle weiteren Bedeckungen ergebnislos. Herbstlicht wollte ab jetzt ihren Lebensabend mit Ausritten und Koppelgang genießen.

2016 hatte sie noch einen tollen Auftritt in der Ehrenklasse bei der Landesschau im österreichischen Großlobming.

Auf der Koppel spielt sie nach wie vor Erzieherin für Jungpferde und war auch ihrem Enkel eine sorgsame und ernstzunehmende Oma. Meiner 10-jährigen Enkeltochter ist sie eine geduldige Lehrmeisterin – wobei sie seit dem vergangenen Jahr der Meinung ist, galoppiert wird nur noch auf der Koppel, nicht mehr unter dem Sattel. Hier reicht auch ein altersgemäßer, immer noch taktbeflissener Trab und bevor man außer Atem kommt, ist Schritt angesagt.

Liebe Herbstlicht, du bist das Beste, was ich mir je vorstellen konnte und kann; bitte bleib noch lange gesund!

Deine Renate

Dank für das Foto oben von der Landesstutenschau 2016: Jutta Bauernschmitt

 

Bild links: Herbstlicht vor wenigen Tagen im heimatlichen Stall